September.
Die Sommerferien waren eindeutig zu kurz!
Dies war der erste Satz mit dem ich an einem Donnerstag morgen, genau der 1. Tag nach den Ferien, wieder zur Bushaltestelle trabte.
Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf. 'Jetzt bist du 10. Klasse, lange dauert es nicht mehr'
Ja, wie schnell die Zeit vergeht. Gestern noch Einschulung, heute begann bereits mein erster Tag als 16-jährige Schülerin der 10. Klasse eines Gymnasiums.
Schon nächstes Jahr beginnen die Kurse und dann wäre ich auch schon bald in der 12. Klasse und würde mein Abitur machen.
Ebenso wie an die Zukunft, dachte ich an die vergangenen Wochen zurück. Schwimmen gehen mit Lilly und Marie, der Urlaub auf Mallorca und zahlreiche Tage abends im Garten sitzen und mit Freunden quatschen. Der Sommer bleibt einfach die schönste Jahreszeit.
Noch immer in Gedanken versunken kam ich am Hbf an. Das war mein alltäglicher Schulweg.
In unserem Dorf zur Haltestelle laufen, mit dem Bus zum Hbf und von da aus mit einem anderen Bus zu meiner Schule.
Lilly riss mich aus meinen Gedanken, als sie plötzlich vor mir stand und mich hektisch umarmte.
"Nikkkiii!" Sie zog an meinem Arm und wir stellten uns an einen Fleck, der gut bekannt war.
Jeden Morgen vor der Schule stehen wir hier. Lilly und ich, da wir in eine Klasse gehen, aber auch Marie kommt morgens hier her, denn ihr Bus, der sie zu ihrer Schule bringt kommt immer erst in den folgenden zehn Minuten.
Dann gesellen sich da auch immer noch ein paar aus unserer Klasse, aus unserer Schule oder Freunde von denen die hier stehen dazu.
Im großen und ganzen sehen wir aus wie ein Kleks von Schülern.
Jedoch zerrte Lilly mich abseits von den anderen.
"Was gibt es?", kicherte ich, denn es war lustig, wenn Lilly mal wieder etwas aufregendes erlebt hatte. Sie musste es mir sofort erzählen. So ist das nunmal unter besten Freundinnen.
"Ich wurde heute von Kai angesprochen!"
Ich zog eine Augenbraue hoch. Ok, vielleicht bin ich da ein bisschen anders. Ich kann es einfach nicht verstehen wie man so durchdrehen kann, weil der Schwarm einen angesprochen hat. Vielleicht liegt es daran, dass ich schon seit 3 Jahren keinen Freund mehr hatte? Oder vielleicht auch, weil ich es mir einfach nicht vorstellen kann, mich total zu verlieben, sodass mir ganz anders wird und ich vollkommen neben der Spur bin.
"Das ist schön.", lächelte ich ihr zu. Mehr konnte ich einfach nicht sagen. Ein breites Grinsen fuhr über ihr Gesicht. Ich schenkte ihr einen fragenden Blick.
"Und was lief bei dir so in den Ferien? Hmm... erzähl doch mal. War ein heißer Beachboy auf Malle?"
Sie fing an zu lachen und ich stimmte mit ein. "Ach Lilly du spinnst doch. Nein, da waren nur Idioten."
"Heiße Idioten?" Ich warf meiner besten Freundin einen genervten Blick zu. "Bitte Lilly, du findest solche Macker mit durchtrainierten Bauch bis zum geht nicht mehr und dämlichen Anmachsprüchen doch nicht etwa heiß?"
Lilly stoppte kurz. "Sagen wir mal, dass mit dem Bauch gefällt mir."
Wir kicherten und da kam auch schon Marie um die Ecke und lief strahlend auf uns zu.
Es gab wichtige Ereignisse der Ferien auszutauschen und obwohl wir regelmäßigen Kontakt über das liebe Internet haben, erfuhren wir die ein oder anderen interessanten Dinge.
"Hey sieh mal, die sind bestimmt neu an unserer Schule.", flüsterte Lilly mir zu, als wir im Bus saßen.
Dabei fielen uns ein paar Schüler ins Auge, die wir zuvor noch nicht an unserer Schule gesehen hatten.
"Bestimmt die neue GR."
Was meine Freundin mit GR meint, ist die Klasse, die jedes Jahr neu an unsere Schule kommt. Es sind die Schüler, die von der Realschule nun auf das Gymnasium gewechselt haben
Die GR Klasse ist immer eine 10. Klasse, da die Realschüler nun die 10. nochmal machen müssen und dann noch die 11. + 12.
"Die schau ich mir nachher mal genauer an.", kicherte ich und sah aus dem Fenster.
In der Schule herrschte das typische 1.Schultag Chaos. Alle Schüler schauten auf die vielen angepinnten Zettel und suchten nach ihrem Klassenraum.
Unser Klassenraum war immer noch dort, wo wir ihn am letzten Schultag verlassen hatten. Im ersten Geschoss, Raum 245.
Langsam nahm der Tag seinen Lauf. Es ging los mit dem Stundenplan und weiter über 'was wir letztes mal gemacht haben' bis 'wie waren eure Ferien?'
In der Pause gingen Lilly und ich durch die Gänge. Unauffällig an einem Haufen neuer Schüler vorbei, die nicht schwer als GR Klasse zu erkennen waren.
"Der eine ist doch ganz süß.", kicherte Melli, die sich aus dem Hinterhalt angeschlichen hatte.
"Psst. Wir wollen doch nicht, dass die merken, dass wir sie beobachten."
"Das ist ja auch ganz unoffensichtlich, wenn 3 Mädels gleichzeitig ein paar Schüler beobachten."
Wir kicherten und setzten uns auf eine Bank.
"Oh man, ich habe morgen Werte & Normen.", fluchte Melli, als sie unseren neuen Stundenplan betrachtete.
"Tja, du wolltest ja nicht mit uns zusammen Religion nehmen." Ich streckte ihr die Zunge raus.
"Pah, dafür lerne ich ein paar neue Leute kennen."
Lilly schüttelte den Kopf und kicherte. "Ich lerne die auch so kennen, wenn ich will."
Nach weiteren 4 Stunden ging der Tag genau so spannend zu Ende, wie er auch angefangen hatte.
Zu Hause erwartete mich gespannt meine Mutter, die es gar nicht abwarten konnte, meinen Bericht vom ersten Schultag zu hören.
"Neuer Stundenplan, sonst nichts," Ich legte den Stundenplan in die Küche und schmiss mich auf die Couch.
"Nikki Maus, ist etwas passiert in der Schule?"
Ich schaute mich zu meiner Mutter um. "Nein. Was sollte denn sein?"
"Du wirkst so lustlos." Ich verdrehte die Augen.
"Mum, nach 6 Wochen Ferien gleich wieder in die Schule mit Hausaufgaben und allem, da ist man nunmal lustlos."
Sie gab mir mit einem Seufzer einen Kuss auf die Stirn und ging dann wieder in die Küche.
Oktober.
Die nächsten Wochen verliefen alle ganz normal.
5 Tage die Woche Schule, 2 Tage frei um zu tun was man will.
Mittlerweile war es Oktober. Das Wetter wurde schlechter.
In der GR Klasse ist ein Junge den ich bereits durch Jungs aus meiner Klasse kennen gelernt habe.
Er ist nett, jedoch einfach nicht mein Typ. Nur leider scheint der sich in mich verliebt zu haben.
Er fragt immer, ob ich alles in der Schule verstehe oder vielleicht Nachhilfe bei ihm möchte.
Schlecht in der Schule bin ich nun wirklich nicht und niemals würde ich bei dem Nachhilfe nehmen.
Jedoch versucht er einiges um mich zu beeindrucken. Ja... das geht einem schon auf die Nerven.
Melli erzählt mir immer von einem Mädchen aus ihrem Werte & Normen Kurs.
Sie sagt die sei total lustig und crazy. Man müsste Melli mal aufnehmen wenn sie über die redet, als wenn sie verknallt wäre. Und wenn Melli keinen Freund hätte, würde ich das wahrscheinlich wohl wirklich glauben.
Mittwoch morgen. Als ich mit Lilly in der Schule ankam, stürmte Kevin auf mich zu. Ein Junge aus meiner Klasse.
"Nikki, Maik ist so in dich verliebt." Er fing an zu lachen.
"Schön für Maik." Ich ging weiter, jedoch hielt Kevin mich zurück.
"Du etwa nicht in ihn? Weißt du wie viele auf ihn stehen?"
Ich schenkte ihm einen uninteressierten Blick. "Ist mir doch egal, ich steh eben nicht auf ihn."
Kevin sah mir noch hinterher und auch Lilly nahm schon Luft, doch ich machte gleich ein Zeichen sie solle dazu jetzt ja nichts sagen.
"Nikki!" Da kam auch Melli den Flur entlang. "Guten Morgen. Jess hat mir das mit Maik erzählt, was sagst du dazu?"
Ganz ruhig bleiben... "Toll, dass es bald die ganze Schule weiß. Ich will nichts von ihm!"
"Oh man, bei so einem Typen? Man könnte ja denken, du wärst Beziehungsgestört.", lachte sie.
Ich dachte nach. Ja, das könnte wohl wirklich sein. Ich hatte seit 3 Jahren keinen Freund mehr und ich wollte auch keinen. Ich war nicht verliebt und wollte mich auch nicht verlieben. Naja, dagegen hätte ich nichts, aber es passierte einfach nicht. Ich traf viele Leute, doch bei niemandem funkte es.
"Ja, da hast du wohl Recht.", rutschte mir kichernd heraus.
"Heute müssen alle 10. Klassen zu dieser Vorführung, wisst ihr das schon?"
"Ach die ist heute? Hab ich ganz vergessen."
"Ja, mal gucken was uns da erwartet.", lachte Lilly.
"Und wann ist die?"
Melli stoppte kurz, hielt einen Moment inne und sah uns dann an.
"In der 5. und 6. Stunde"
Ich schnaufte. Besonders Lust hatte ich nicht darauf, mich zwei Stunden auf einen Stuhl zu setzen und bei etwas zuzuschauen. Das kennt ja jeder. Trotzdem ist es aber immernoch besser als Unterricht.
Jedoch hieß es nun erst einmal 1. Stunde Mathe.
Kevin setzte sich neben mich, da Jonas nicht da war.
Ich schaute ihm genervt zu, wie er langsam einen Platz weiter rückte.
"Kevin, laber mich ja nicht wieder mit Maik zu."
Doch Drohen brachte natürlich gar nichts.
"Nikki, jetzt sei doch nicht so. Wann hattest du denn das letzte Mal einen Freund?"
"Vor langer Zeit."
"Und Maik ist doch echt nicht schlecht. Er sieht gut aus und viele Mädchen wären neidisch auf dich."
"1. Ich stehe nicht auf ihn! Und 2. brauch ich keinen Neid um mich."
"Du lässt ja echt nicht mit dir reden..."
"Kev, ich mag ihn, aber wenn es keine Liebe ist, ist es keine Liebe."
"Ich kenn dich seit der 5. Klasse und dein einziger Freund war mal dieser Tom."
"Ich verliebe mich eben nicht schnell."
"Man könnte ja schon denken du wärst lesbisch."
Kevin lachte und ich warf ihm nur einen kopfschüttelden Blick zu.
"Sieh mich an, seh ich aus wie ne Lesbe? Ich hab braune lange Haare und seh auch aus wie ein Mädchen."
"Hat doch damit nichts zu tun."
"Klar, alle Lesben laufen rum wie Jungs."
Kevin lachte und drehte sich schließlich nach vorne, da unser Lehrer zur Tür herein kam.
In mir brodelte es leicht. Lesbisch. Nur weil ich mich nicht schnell verliebe und diesen Maik nicht will.
Doch wirklich sauer sein konnte ich nicht lange und es war ja auch eh mehr als ein Scherz gemeint.
In der 5. Stunde war es dann soweit. Wir alle versammelten uns in der Sporthalle und setzten uns auf die jeweils klassengekenntzeichneten Stühle.
Ich musste kichern als die GR Klasse zu uns kam, da alle planlos nach ihren Stühlen suchten.
So eine Vorführung gibt es jedes Jahr, für jeden Jahrgang eine.
Es sind witzige kleine Szenen, die uns aber irgendwie belehren sollen. Naja, lustig sind sie teilweise aber was man daraus lernen soll verstand ich schon in der 5. Klasse nicht.
Ich setzte mich zwischen Lilly und Melli. Mit ihnen hatte ich bei solchen
Angelegenheiten einfach am meisten Spaß.
Zum ersten Mal sah ich die GR Klasse nun vollständig. Noch bevor ich wahrnehmen konnte wo Maik sich zu dem Zeitpunkt befand, setzte er sich in die Reihe vor uns, direkt auf den Stuhl vor mir hin und grinste freundlich nach hinten.
"Hi Nikki."
Ich lächelte zurück, "Hey Maik."
Seine Mitschüler bekamen das natürlich mit und drehten sich alle nach hinten, einige fingen an zu kichern.
Na das war ja auch so super lustig. Mittlerweile wusste es wohl wirklich schon die halbe Schule.
Für die schöne Vorführung interessierte ich mich relativ wenig. Schon nach der 15. Minute war ich mit meinen Gedanken wo anders.
Mein Blick blieb bei einem Mädchen mit kurzen dunkel-braunen Haaren hängen. Ich sah sie nur von hinten, jedoch machte sie ziemlich viel Mist nebenbei, was für mich dann zum spannenderem Teil der Vorführung wurde.
Auf einmal stieß mir Melli in die Rippen. Ich drehte mich zu ihr.
"Die da vorne mit den kurzen Haaren, das ist Jess. Guck sie dir an, sie macht nur scheiße."
Melli kicherte und ich musterte das Mädchen mit den kurzen Haaren.
Nachdem das ganze Spektakle vorbei war hatten wir eine 20-Minuten Pause.
"Nikki? Ich muss für Jannik noch ein Geburtstagsgeschenk besorgen und wollte morgen in die Stadt. Kommst du mit?"
Melli sah mich mit ihrem Hundeblick an. "Na gut.", kicherte ich, "aber ich muss gucken ob ich gleich nach der Schule kann, denn vielleicht muss ich nach Hause und mich um Kim und Luis kümmern."
"Tja Nikki, so ist das wenn man kleine Geschwister hat."
Ich lächelte nur. Eine Stunde später war der Schultag vorbei.
Kim ist 7 - und Luis erst 3 Jahre alt. Es gibt Tage, wo Mum Nachmittags nicht zu Hause ist und dann muss ich Luis aus der Kindergartenbetreuung abholen und mich mit ihm und Kim beschäftigen. Einserseits nervt es mich, andererseits tu ich es auch gerne, da meine Mutter meine Hilfe braucht. Seit mein lieber Vater sich einfach aus dem Staub gemacht hat, das war vor 5 Jahren, hat meine Mum einen neuen Freund. Andreas. Ganz nett, aber meiner Meinung nach der totale Loser. Er versucht sich immer in die Erziehung meiner Mum einzumischen. Natürlich vergeblich. Klar, er ist der Vater von Luis, jedoch nicht der von Kim und mir.
Trotzdem mag ich meine Familie. Sie ist chaotisch, denn egal was kaputt geht, Andreas kann ja alles reparieren. Wenn man diese Aktionen dann filmt und auf Youtube reinstellt, erzielt man ganz schön viele Klicks.
Meine Mutter ist Bürokauffrau und arbeitet nur Halbtags. Von 9:00-13:00 Uhr. Allerdings muss sie dafür Nachmittags auch manchmal bestimmte Dinge erledigen.
Andreas hat seine eigene kleine Autowerkstatt. Direkt neben unserem Haus. So ist er zwar immer da, hat jedoch nicht immer Zeit, sich um Kim und Luis zu kümmern.
"Muuum!", rief ich, als ich gerade mal zur Tür rein kam.
"Nikkiiiiii!", schrie meine Mutter zurück.
Wir beide lachten und ich klopfte ihr auf die Schulter.
Da kam auch Luis angerannt und ich musste ihn sofort auf den Arm nehmen.
"Du Mum? Kann ich morgen nach der Schule mit Melli in die Stadt?"
Meine Mutter sah mich an, da kam auch Andreas schon zur Tür herein.
"Hallo alle miteinander." Luis fing an rumzuzappeln und ich ließ ihn wieder runter.
"Papaaaa!" Schon saß er bei Andreas auf dem Arm.
Mum und ihr Lover regelten dann, dass ich am nächsten Tag in die Stadt kann.
Glücklich ging ich in mein Zimmer und schrieb Melli sofort eine Sms.
Kann morgen Stadt. :)
Ich freu mich. Bis morgen Maus.
Kussi :-*
Im Bett dachte ich noch einmal über den heutigen Tag nach.
Komisch, dass mir Jess nie aufgefallen ist. Ich meine, sie ist ein Typ, der einfach auffällt.
Gleichzeitig wurde ich wieder wütend, wegen der ganzen Sache mit Maik.
Klar, es ist schon irgendwie ein gutes Gefühl so zu wissen, dass sich ein gutaussehender Junge in mich verliebt hat, allerdings sollte er doch mittlerweile kapiert haben, dass ich nichts von ihm will. So wie ich nunmal bin, machte ich mir wieder unzählige Gedanken über dies und das.
Plötzlich verspürte ich den Drang neue Leute kennen zu lernen. Viele aus der GR Klasse schienen mir sympatisch zu sein.
Allerdings hatte ich schon die weltbesten Freunde, was will man mehr?
Nur mich interessierte es, wie diese Jess wohl so ist, da Melli ja so viel von ihr erzähte.
Ich habe keine Freundin, die vom Typ her so ist wie sie, dass könnte doch spannend sein.
Der nächste Gedanke war Jannik, Mellis Freund. Melli wusste garantiert noch nicht, was sie ihm schenken sollte und so müsste ich gute Ideen abliefern.
Ich dachte nach, was ein Jannik so gebrauchen könnte, doch ich konnte mich nicht recht konzentrieren. Ein komisches Gefühl machte sich in meinem Magen breit.
Mir wurde plötzlich übel und ich beschloss schnell schlafen zu gehen. Doch selbst vorm Einschlafen liefen Bilder von verschiedenen Produkten in meinem Kopf ab.
Ich schaute noch einmal schnell auf mein Handy, wunderte mich, dass Melli nicht antwortete, legte es jedoch wieder zur Seite und schlief langsam ein.
6 Uhr. Der Wecker klingelte. Obwohl ich mich total auf die Stadt freute, fiel es mir diesen Morgen besonders schwer meinen Körper aus dem Bett zu erheben.
Schon kamen die Gedanken vom Abend zurück. Unter der Dusche dachte ich an verschiedene Dinge um mich ein wenig abzulenken. Ich wusste nicht genau was mit mir los war. Ein ganz komisches Gefühl. Stimmungsschwankungen? Aber die habe ich ja eigentlich nicht.
Ich stellte mir vor, wie kleine einzelne Teilchen in meinem Körper sich verformten und aneinander hefteten.
So fühlte es sich an.
Auf dem Weg zur Bushaltestelle hörte ich Musik. Erst jetzt bemerkte ich wie kalt es eigentlich schon draußen war.
Die Lieder hatten eine besondere Wirkung auf mich, jedes seine eigene.
Ich bin ein verträumter Mensch. Ich schaue gerne aus dem Fenster und male mir Dinge aus, meistens Dinge, die nie so geschehen werden, wie ich es gerne hätte.
Der Bus ließ auf sich warten. Schüler sammelten sich um mich rum.
Ich stand wie jeden Morgen alleine. Ich bin nicht der Typ, der gerne alleine ist, aber manchmal liebe ich es auch. Mir vorzustellen, alle würden für ein paar Sekunden stehen bleiben. Ich schloss meine Augen und vertiefte mich in die Musik. Alle anderen bewegten sich nicht, sprachen nicht, atmeten nicht. Nur ich, die Welt stand still.
Vor mir tauchten Bilder auf, von gestern. Meine Freunde, Maik, Kevin, die blöden Sprüche, Jess...
Doch plötzlich hörte ich ein lauteres Geräusch. Ich öffnete schnell meine Augen und wenige Sekunden später stand der Bus vor mir.
Ich schüttelte mich unauffällig und stieg in das große Verkehrsmittel.
Im Bus schaute ich mich um. Ich sah einen Jungen und ein Mädchen nebeneinander sitzen. Er hielt ihre Hand, hatte den Arm um sie.
Sie strahlte ihn an. Vollkommen verliebt. Ich stellte mir dieses Gefühl vor. Dieses wirkliche krasse Gefühl jemanden zu lieben.
Wie alle anderen es sagen, für jemanden sterben, alles über sich ergehen lassen. Nächte lang an diese Person denken...
Nein, ich konnte es mir einfach nicht vorstellen. Jedoch merkte ich so langsam, dass mir etwas fehlte. Ich war neugierig darauf, mich richtig zu verlieben.
Doch es wollte einfach nicht geschehen. Ich könnte mit Maik zusammen sein aber da ist kein Gefühl. Ich würde ihn belügen und mir selbst etwas vormachen.
Gleichzeitig fragte ich mich, ob ich mich überhaupt je verlieben würde. Melli hat es schon öfters erwischt, auch Lilly ist zur Zeit hin und weg.
Sie berichten mir von diesen Gefühlen, doch ich kann es nicht nachvollziehen.
Zugegeben, Maik ist nicht der einzige Junge, der je in mich verliebt war oder ist. Ohne anzugeben, das waren schon ein paar mehr.
Kevin sagt immer, ich sei ein super süßes Mädchen, tolle Figur, toller Style aber trotzdem dieses Freche, was Jungs anzieht.
Nur wieso entdecke ich solche Eigenschaften bei niemandem? Jungs werden zu meinen Freunden, ich bin gerne mit ihnen zusammen, doch da sind keine Gefühle. Kein 'du bist toll'-Effekt. Nichts. Ich finde sie einfach nur cool und hänge gerne mit ihnen ab.
Ich finde schon ein paar Jungs, die mir auf der Straße entgegen kommen süß, aber es ist nie dieses... 'Klick'.
Manchmal denke ich, ich habe einfach zu hohe Ansprüche an einen Jungen. Er muss dies und das sein, muss so und so aussehen und dabei weiß ich noch nichtmal was ich überhaupt will. Es ist alles so kompliziert...
Mein Kopf platzte fast vor lauter Gedanken und schon war meine 20-minütige Busfahrt zu Ende.
In der Schule wartete Melli schon am Haupteingang auf mich.
"Nikki! Ich hab so tolle Ideen für nachher. Oh... stimmt was nicht?"
Ich sah sie an. "Doch, doch. Mir ist nur ein wenig schlecht heute. Was hast du für Ideen?"
Melli hing sich an meinen Arm und wir gingen gemeinsam zur Klasse.
Sie erzählte mir dies und das, was er mag, was er gerne hätte usw. Am liebsten hätte ich ein großes Pflaster genommen und es ihr direkt auf den Mund geklebt.
Lilly lachte schon und Kevin warf genervte Blicke zu uns rüber.
"Melanie... Ruhe bitte."
Melli stoppte und schaute wieder auf ihr Arbeitsblatt. Deutsch hatte bereits angefangen und unsere Lehrerin war 4 von 5 Schultagen die Woche genervt.
"Was meinst du, wenn Jess jetzt hier wäre. Die würde gleich wieder einen coolen Spruch bringen."
Sie kicherte und ich lächelte ihr zu.
In der Pause gingen Lilly und ich auf den Schulhof. Wir schlenderten rum und erzählten uns etwas.
Als wir wieder in die Pausenhalle kamen, sah ich Melli und wollte gerade auf sie zugehen, da bemerkte ich, dass sie sich mit Jess unterhielt.
Ich stoppte. "Was ist los? Komm wir gehen zu Melli.", zappelte Lilly und ging weiter.
"Nein, ich will da nicht hin, wenn die sich gerade unterhalten. Das kommt doch voll doof."
"Seit wann machst du dir denn darüber Gedanken?"
Ich dachte nach. Ja, seit wann eigentlich? Jedenfalls bremste mich etwas. Ich wollte da einfach nicht hingehen. Mir wurde ganz warm und ich blieb lieber an der Treppe stehen.
Auf einmal hatte ich Angst zu Leuten zu gehen, die ich nicht kenne. Aber es kam mir komisch vor, da ich von Jess ja schon gehört hatte und schließlich war Melli eine sehr gute Freundin von mir. Ich rätselte noch, da drehte sich Melli plötzlich um. Sie grinste mich an und wank mich zu ihr herüber.
Mir wurde heiß, meine Kehle schnürte sich zu, meine Knie waren weich. Lilly hatte gepetzt, nur weil ich einfach nicht zu ihnen wollte.
Ich wunderte mich, was gerade in meinem Körper vor sich ging. Machte ich eine Verwandlung durch? Eine Mutation?
Plötzlich stand ich da. Zwischen Lilly und Melli, gegenüber von Jess.
"Hi.", grinste Jess. Ich schluckte. "Hi."
Melli sah mich an. Ich wusste nicht was sie von mir wollte und als auch Lilly mich ansah, fing ich an zu lachen.
"Was ist denn?"
"Wieso sagst du nichts?"
"Was soll ich denn sagen?"
"Naja sonst laberst du wie ein Wasserfall."
Jess sah mich an, grinste und sah dann verstohlen auf den Boden. Ich merkte wie mir langsam die Röte ins Gesicht schoss.
"Seit ihr doof? Das war total peinlich eben."
"Ach Nikki. Was ist denn dein problem?", kicherte Lilly und auch Melli fing an zu lachen,"Versteh ich auch nicht."
"Ich wollte einfach nicht."
"Wegen Jess oder was? Die beißt doch nicht, die ist voll in Ordnung."
"Nein nicht wegen Jess. Einfach so."
"Nun stell dich nicht so an."
Ich streckte Lilly die Zunge raus und schon betrat unser nächster Lehrer den Klassenraum.
Nach weiteren langweiligen Stunden war die Schule endlich aus.
"Guck mal Nikki, da ist Sarah..." Ich schaute nach diesem hinweisenden Ton nach links und betrachtete das junge Mädchen namens Sarah.
"Sieht sie nicht wieder gut aus heute." Melli warf ihre Haare nach hinten und machte eine Pose. Ich kicherte.
"Ich weiß, dass du sie nicht leiden kannst."
"Nikki, das ist die totale Oberbitch. So sexy. Und dazu die größte Tussi des Universums."
Ich belustigte mich über Mellis Reaktion und sah Sarah hinterher. Sie sah gut aus, allerdings wusste auch ich, dass sie es faustdick hinter den Ohren hat.
Seit sie sich auf einer Party dermaßen an Jannik rangemacht hat, sieht Melli bei ihr rot. Und kaum zu glauben, die beiden waren sogar mal richtig gute Freunde.
"Ich hasse sie."
"Ich weiß Melli."
Wir lachten und stiegen in unseren Bus, der uns in die Innenstadt brachte.
Melli rannte sofort in den ersten Laden rein, dann in den Zweiten und brav so weiter. Ich folgte und gab schön meine Meinung ab.
Nach ca. einer dreiviertel Stunde hatte sie dann etwas für ihren Freund gefunden. Eine Kette, die für Jungs war, aber mit weiblichen Namen drauf.
So bekam der liebe Jannik dann eine Kette mit dem Namen Melanie drauf und dazu noch ein paar Pralinen.
Ich war nur froh, dass wir uns jetzt endlich in ein Café setzen, in Ruhe labern und einen Cappuchino trinken konnten.
"Ich hab gehört Sarah versucht sich jetzt an Maik ranzumachen..."
"Melli... das ist mir egal, ich will immer noch nichts von ihm."
"Wieso nicht? Du bist so süß und hübsch und cool und hast keinen Freund. Wie geht das?"
"Es funkt halt nicht... Ich würde mich auch gerne verlieben..."
"Was? Du willst dich verlieben? Die, die sich noch nichtmal vorstellen kann, wie sich das anfühlt?"
"Ach Melli, es kommt einfach wenn es kommen soll, aber ich würde gerne wissen wie sich das anfühlt."
"Vielleicht können wir dich irgendwie verkuppeln?"
Ich warf ihr einen warnenden Blick zu.
"Ok, ok... Vielleicht auch nicht.", lachte Melli und rührte ihren Cappuchino um.
Plötzlich fiel mir ein, dass sie ja bald Geburtstag hatte.
"Du, feierst du eigentlich?"
Melli sah von ihrem Getränk hoch und sah mich an.
"Seh ich so aus als würde ich nicht feiern?"
Ok, doofe Frage, gerade Melli. Ich kicherte.
"Ich feier bei meinen Großeltern, die haben einen großen Schuppen wo man richtig gut feiern kann."
Ich nickte. "Hört sich gut an. Wen lädst du alles ein?"
"Dich, Jannik, Lilly, Mona, Kai, Kevin, Lukas, Jess, Tim, Romina, Lulu und noch welche vom Training und von anderen Schulen."
"Das wird ja eine ziemlich große Party."
"Ja ich darf so viele einladen wie ich will."
Ich lächelte. Wichtig war, dass Lilly auch kommen würde. Naja mit Lulu und Kevin verstehe ich mich auch super, aber Lilly ist noch eine Nummer besser.
"Weißt du was ich denke?"
Ich sah meine Freundin an und warf ihr einen 'Na was denn'-Blick zu.
"Ich glaube Jess ist eine Lesbe."
Ich verschluckte mich. "Wie kommst du denn darauf?"
"Na wie sie immer gezielt Mädchen anschaut."
"Das tun wir doch auch."
"Ja aber wir lästern dann ja auch."
"Und auch wenn es so ist. Ich finds nicht schlimm."
"Ich ja auch nicht. Ich find das toll."
Meine Freundin fing an zu lachen. Ich verstand zwar nicht, was sie daran so toll fand aber es war besser als wenn es sie gestört hätte.
"Aber geh nicht gleich davon aus, sonst könnte das bei ihr vielleicht mies ankommen."
"Ne, es war ja auch nur ein Gedanke."
Kichernd sahen wir aus dem Fenster und jeder versank in seine eigene Gedankenwelt...
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